Hallo Gudrun,
ich lese aus Deinen Zeilen/Gedanken vor allem heraus, dass es Dir um 4 Dinge geht:
1. um körperliche Gesundheit des Hundes
2. um Stress und mögliche Folgen
3. um irgendeinen Nutzen für den Hund – den hat er nach Ansicht vieler Beiträge hier doch auch beim Spazierengehen etc.
Und es geht Dir 4. auch noch um den Egoismus von Menschen, die Pokaljäger sind und das auf dem Rücken ihres Hundes austragen. Mit anderen Worten: Menschen, die den Hund leiden lassen.
Ich fange mal hinten an:
Also wenn die Triebfeder der Haltung eines Hundes Egoismus ist – hört jeder „Spaß“ auf. Das sehen wir ja auch auf CACs: es gibt tatsächlich Leute, die weinen (das ist kein Witz, ich hab’s gesehen), wenn ihr Hund nicht „V1“ bekommt, sondern nur „V“, oder vielleicht „nur“ – NUR???? - ein „SG“ etc. Unter dem fehlenden „V1“ leidet bestimmt kein Hund – höchstens indirekt, falls das das Einzige sein sollte, womit er „beschäftigt“ wird. Ebenso herrscht eine oft schier unglaubliche Gnadenlosigkeit im Bereich des Rennsports, wenn ein Hund nicht mehr siegt etc. Das hat man auch im Pferdesport, und es ist furchtbar.
Was mich persönlich betrifft, so bin ich ziemlich „unverdächtig“: Mit dem Chillywicht bin ich dieses Jahr nicht eine einzige Prüfung gelaufen – also nix mit Ehrgeiz zulasten des Hundes – und mit Mojo eine FH und die Ausdauerprüfung. Kommende Woche wieder eine FH – das ist dann die erste Quali für die Landesmeisterschaft 2013, mehr als 96 Punkte - klappt oder klappt nicht. Und dann wollte ich mit Mojo die VPG 1 laufen – die habe ich heute definitiv gecancelt. Was sehr sehr schade ist, für mich, nicht für den Hund – aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Warum habe ich gecancelt? Weil Mojo eine bestimmte Charakterfestigkeit noch fehlt, weil er im Bereich „Apportieren“ herum hampelt wie ein dummer Bub, und weil wir halt noch Zeit brauchen.
Die Festigkeit bekommt er aber noch – und damit sind wir bei Punkt 3, vorher dann aber doch lieber der Reihe nach:
1. Gesundheit
Zitat
Deswegen werfe ich den Ball nur tief, so dass er mehr rollt, diese Sprünge nach dem Ball sind Gift und es geht auch anders wie man sieht.
Genau! Es geht auch anders! Das erste, was ich Leuten beibringe, ist, vernünftig mit dem Hund zu spielen : flach, immer vorwärts, niemals Ball über den Kopf, keine Verdrehungen und keine hohen Sprünge.
Zitat
... ich liebe joggen, es ist DAS Heilmittel für die Seele, aber ich weiss auch, dass ich meinen Gelenken nichts Gutes tue und es vermutlich irgendwann bezahle.
Joggen auf Asphalt ist Gift – joggen durch die Flur oder auf weichen Waldwegen nicht. Ich fahre gelegentlich Rad mit meinen beiden – und zwar niemals über Asphalt. Man kann auch mal schieben. Oder den Großen angeleint rechts auf der weichen Grasnabe oder auf dem Moos laufen lassen.
Hier gab’s mal einen tollen Link: „Wie Hunde die Welt veränderten“. Unter anderem wurde auch Knochengerüst und Gelenkapparat des Hundes und den Nutzen für seinen natürlichen Lebensraum noch mal gezeigt. Natürlich traben sie viel und weit – nicht auf Asphalt! – und natürlich springen sie. Natürlich treten sie sich Dornen ein (- keine Glasscherben … - ) und humpeln dann, haben tagelang Schmerzen und können nicht fressen. Natürlich packen sie ein Wildschwein mit voller Kraft, werden mitgeschleift, vom Hauer aufgeschlitzt, vom Hirsch geforkelt und was weiß ich.
„Ungebraucht“ wir keiner von uns zurück gegeben! Wir benutzen unseren Körper und der bleibt nicht „neu“. Was nicht heißt, dass wir Mutwillen damit treiben und ihn schädigen oder schwächen sollten! Also weder verdrehte Frisbee-Sprünge noch Traben auf Asphalt noch in Watte packen!
Den Körper – unseren eigenen und den unserer Hunde – fit und kräftig halten, sich an den Möglichkeiten freuen, die er bietet, die eigene Kraft spüren – das macht glücklich!
Damit sind wir bei Punkt 2 – Stress
Zitat
all diese Dinge sind Stress und Stress, egal ob positiv oder negativ hinterlässt Spuren
Also das Leben gerade auch der Wildcaniden ist – Stress! Nahrungssuche, Aufzucht und Ernährung des Wurfes, Jagd – missglückte Jagd! – Hunger, erneute Jagd – Stress pur! Sich verstecken, Verfolgern ausweichen, neues Revier suchen, Rivalenkämpfe.
Jagdglück: Eu-Stress, Endomorphine, Glück und Stolz und Erschöpfung und Belohnung!
Der schlimmste Stress ist: Warten und Langeweile! Nix zu tun zu haben heißt leiden, und sich was zu tun zu suchen: Teppich und Polster anfressen, Stuhlbeine anknabbern, Wand zerkratzen, Gardinen runter reißen, Menschen im Treppenhaus oder vor’m Fenster ankläffen oder verbellen, schlimmstenfalls neurotische Ticks entwickeln wie „Sich-in-den-Schwanz-beißen“ etc.
Ich habe sehr spät gelernt, dass es enorm wichtig für den Charakter von Mensch und Hund ist, „Stress-Resistenz“ zu entwickeln.
Viele Menschen leiden unter Prüfungsangst – ich früher auch, extrem! Ein charakterliches Defizit – kein Zweifel!
Ich habe irgendwann herausgefunden, dass es mir hilft, gemeinsam mit meinem Hund Prüfungen zu laufen (BH und Fährte) . Ich habe auf jeden Fall dazu gewonnen, und gebe das jetzt an meinen Mojo und an Spitzchen weiter, diese Stabilisierung tut ihnen gut!
Und dann 3: Irgendein Nutzen für den Hund?
Aber ja!
Nicht, dass weite Wanderungen/Touren über die täglichen kleinen bis größeren Runden hinaus nicht sehr schön und unersetzlich sind für Herr und Hund und ohnehin Alltag sein sollten; kommt auch drauf an, wie man sie gestaltet. Kann absolut „ausreichend“ sein für den Hund, wie hier immer steht: „ausreichend“.
Entscheidend sind meiner Ansicht nach folgende Kriterien: Laufen Herr und Hund einfach nur daher oder tun sie etwas „Verbindendes“? Bieten die Wanderungen dem Hund nicht nur körperlich, sondern auch geistig einen Zuwachs an Erfahrungen, an Reife, an Klugheit? Wird etwas „erlebt“? (Anders gefragt: Bilden sich Synapsen?) Und: Gibt es für den Hund das beglückende Gefühl der eigenen Leistung, ja oder nein?
Ich bezeichne mich nicht als Hundesportler, ich bezeichne mich als Fan von Hundesport. Kein Durchmarsch in Richtung Turniersieg; eher nutze ich die Breite an Möglichkeiten. Und die ist – faszinierend. Siefördert den Hund körperlich, seelisch und geistig!
Hunde, die öfters Turniere laufen, entwickeln neben Stress-Resistenz oft eine unheimlich Lust an der Aufgabe, und das ist genau das, was nicht nur Menschen, sondern auch Hunde brauchen, um glücklich zu sein: Eine Aufgabe!
Denn ihre natürliche Aufgabe haben wir ihnen genommen, und damit haben wir ihnen auch die Möglichkeit genommen, stolz auf sich selbst zu sein!
Geben wir ihnen diese Möglichkeit zurück! Sie sind unglaublich dankbar dafür!
Liebe Grüße